In diesem Interview geht es um nicht weniger als die Zukunft von Rechtsanwaltskanzleien im Hinblick auf technologische Transformation. Und wer könnte besser einen Einblick in die mögliche Zukunft geben als die zukünftige Generation an Juristen selbst? Daher wurde dieses Interview im März 2025 mit einem Jura-Student – hier Paul genannt – kurz nach seinem ersten Staatsexamen geführt. Paul hat in seinem Studium stets herausragende Noten erreicht und strebt eine Arbeit in einer Kanzlei an.

1. Einstieg
Legalvisio: Guten Morgen Paul! Vielen Dank, dass du dir an deinem freien Sonntag die Zeit nimmst, um mit uns darüber zu reden, wie du die jetzigen Entwicklungen im Anwaltsberuf wahrnimmst und was dir in Zukunft wichtig ist!
Paul: Hi! Ja, sehr gerne. Ich finde es wichtig, dass gerade wir jungen Juristen uns stärker für unseren Arbeitsplatz der Zukunft einsetzen. Legal Tech und Work-Life-Balance hat in meiner Generation ein ganz anderes Standing als in der Generation, die gerade in Entscheidungspositionen in Kanzleien sitzt.
Legalvisio: Das stimmt! Siehst du darin ein Problem?
Paul: Ja, in gewisser Hinsicht schon. Man merkt ja jetzt schon, dass viele Kanzleien Probleme dabei haben, jungen Nachwuchs zu rekrutieren. Meiner Meinung nach liegt das auch an dem veralteten Arbeitsumfeld, das sie uns bieten.
2. Angst vor Papier?
Legalvisio: Meinst du damit Fax-Gerät und Co.?
Paul: Naja, das Fax-Gerät ist für Juristen oftmals tatsächlich praktisch gewesen, weil in Jura einfach sehr strenge Form-Anforderungen gelten. Und wenn eine Kanzlei heutzutage zwar noch ein Fax-Gerät hat, aber ihre Abläufe grundsätzlich digital geschehen dann stört es mich natürlich auch nicht. Wenn ich mir aber vorstelle, in einer Papier-Kanzlei mit meterhohen Akten-Schränken zu arbeiten dann vergeht mir schnell die Lust auf mein Arbeitsleben nach dem 2. StEx.
Legalvisio: Woher kommt die Abneigung gegen ein System, das die letzten Jahrzehnte auch funktioniert hat?
Paul: Selbstverständlich habe ich keine Angst vor Papier an sich. Es geht um die Aufgaben und Arbeitsweise, die mit Papierakten einhergehen. Die gestalten sich viel lästiger, zeitaufwendiger und durch Repetition langweiliger als es sein sollte.


3. Generations-Unterschiede
Legalvisio: Was glaubst du, warum dieses Bild bei deiner Generation so weit verbreitet ist?
Paul: Ich denke es hat tatsächlich viel damit zu tun, dass wir in einer ganz anderen Welt aufgewachsen sind als die Leute, die jetzt gerade Entscheidungsträger in Kanzleien sind. Wir fragen uns zum Beispiel ganz selbstverständlich, warum wir denn unsere Klausuren nicht am Laptop schreiben und dabei in Online-Kommentaren nachgucken können. Wir sind völlig natürlicherweise mit einem Handy aufgewachsen und mit dem einfachen Bedienen einer App – da wirkt eine Papierakte umso umständlicher.
Legalvisio: Also meinst du, dass es einfach ein anderer Umgang mit digitalen Tools ist?
Paul: Ja, absolut. Wenn ich dann doch etwas auf Papier tun muss dann geht mein Griff sofort ans Handy und ich scanne das Dokument per App ein – mit einem Drucker will ich da gar nix zu tun haben.
4. Die junge Generation zwingt zum Wandel?
Legalvisio: Und was glaubst du ergibt sich dadurch für die Zukunft der Kanzleien?
Paul: Naja, normalerweise wäre es der Kanzlei sicherlich egal, ob ich lieber mit Papier oder digital arbeite. Allerdings haben wir heute eine andere Situation, denn Nachwuchs wird händeringend gesucht. Und da wird man auf die junge Generation eingehen müssen.
Legalvisio: Zwingen als die jungen Juristen Kanzleien in der Zukunft zu mehr Digitalisierung?
Paul: Ich finde eher, die Jungen zeigen auf, dass man an der Digitalisierung nicht vorbei kommt. Aber der Zwang geht vielmehr von der Konkurrenzsituation aus. Wenn alle anderen effizienter und billiger arbeiten dann entsteht eben irgendwann ein Zugzwang. Ich würde mir einfach wünschen, dass sich davor nicht mehr so verschlossen wird.

5. Fazit
Legalvisio: Was wünschst du dir von einem zukünftigen Arbeitgeber noch?
Paul: Ich glaube so wie mir geht es da vielen der jüngeren Generationen: Wir brauchen kein hochmodernes KI-Labor in einer kleinen Kanzlei. Eine einfache und günstige Kanzleisoftware würde mir da schon völlig reichen. Mit ihr lassen sich Vorgänge so simpel automatisieren und gerade als Einsteiger fallen viele stumpfsinnige und wiederholende Aufgaben weg.
Legalvisio: Paul, vielen Dank für deine Zeit und viel Erfolg beim Berufseinstieg!