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Kameras im Gerichtssaal – was spricht dafür und was dagegen?

Was bis vor wenigen Jahren in Deutschland als undenkbar schien, ist in vielen anderen Ländern inzwischen zum Standard geworden – Kameras im Gerichtssaal. Während in Deutschland das Filmen erst bei der Verkündung von Urteilen erlaubt ist, werden in anderen Ländern wie Frankreich, Norwegen oder den USA ganze Prozesse live über Fernsehen und Hörfunk übertragen. So konnte die ganze Welt mit eigenen Augen Boris Beckers TV-Scheidung, den Rosenkrieg zwischen Johnny Depp und Amber Heard sowie Mordfälle wie Pistorius, OJ Simpson und Breivik im Fernsehen mitverfolgen. Was spricht aber in Deutschland dafür und was dagegen?

1. Pros für die Einführung von Kameras in Gerichtssälen

Die Justiz sollte dem Volk durch die Kameras in Gerichten mehr Transparenz bieten, so die Befürworter des Livestreamings von Gerichtsverfahren[1]. Denn die Justiz repräsentiert schließlich die Wertvorstellungen der Menschen und diese haben ein Recht darauf, zu sehen, wie das Recht vor dem Gericht umgesetzt wird. Die Transparenz müsste aber zum Schutz der Privatsphäre der Beteiligten in einigen Fällen unterlassen werden. Mehrere bekannte Juristen in Deutschland sprechen dafür, die Kameras in die Gerichtssäle einzuführen, unter anderem Professor Christian von Coelln, ein deutscher Medienrechtler. Seiner Meinung nach wäre es verfassungsrechtlich auf jeden Fall ausführbar, Ton- und Bildaufnahmen in den deutschen Gerichtssälen umzusetzen. Dabei entscheidet der Gesetzgeber über das Maß der Öffentlichkeit von Gerichtsverfahren. Die Verfassung setzt bei einer erweiterten Zulassung von Ton- und Bildaufnahmen insofern Grenzen, als weder die Grundrechte der Beteiligten verletzt noch das faire Verfahren gefährdet werden.

2. Argumente gegen Kameras beim Gerichtsverfahren

In erster Linie zählen die Mediatisierungseffekte eines gestreamten Verfahrens sowie der Schutz der Privatsphäre zu den Gegenargumenten, die die Kameraeinführung in Gerichtssäle schwerer gestalten.

„Menschen vor Kameras können sich verändern. Es gibt Menschen, die keine Erfahrungen mit Kameras haben – die könnten eingeschüchtert sein und nicht so recht wissen, wie sie damit umgehen. Es gibt andere, die die Kameras vielleicht suchen werden – auch das kann den Prozess beeinflussen.“

Bettina Limperg, Präsidentin des Bundesgerichtshofes.[2]

3. Kameraübertragungen aus deutschen Gerichtssälen seit 2018 möglich

Obwohl es auch Juristen gab, die einen Kontrollverlust durch Kameraübertragungen befürchtet haben, sind seit dem Jahr 2018 Kameras in Gerichtssälen in Deutschland erlaubt. Der Bundestag beschloss im Sommer 2017 das Gesetz über die Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren. So werden Kameras bei besonders wichtigen Verfahren bei der Verkündung zugelassen. Natürlich müssen dafür auch bestimmte technische Voraussetzungen erfüllt werden, damit der Prozess ungestört ablaufen kann. So wurde etwa das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig[3] entsprechend umgerüstet, dass die Mikrofone der Rundfunkanstalten nicht am Richtertisch zu sehen sind.

Mit Urteilen vor der laufenden Kamera gab es aber auch früher Erfahrungen in Deutschland: Seit 1998 können nämlich Urteile des Bundesverfassungsgerichts gefilmt werden. In diesem Jahr wurde auch das erste Mal im Fernsehen eine Urteilsverkündung an einem englischen Strafgericht übertragen: Am Londoner Gericht Old Bailey verurteile Richterin Sarah Munro einen 25-jährigen Mann zu lebenslanger Haft wegen Totschlags an seinem Großvater. Dies wurde von mehreren Nachrichtenkanälen übertragen. Fakt ist: Immer mehr Länder in Europa gehen diesen Weg und wollen Kameras in die Gerichtssäle einführen, um das Vertrauen ins Justizsystem zu untermauern und die Transparenz zu erhöhen. Dadurch sollen schließlich auch komplexe Gerichtsentscheidungen von der Öffentlichkeit besser verstanden werden.

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[1] https://www.trennung.de/aktuelles/gerichtsprozesse-live-uebertragung.html

[2] https://www.deutschlandfunk.de/gesetzesvorhaben-kameras-in-gerichtssaelen-100.html#:~:text=%E2%80%9EMenschen%20vor%20Kameras,des%20Prozesses%20darstellen.%E2%80%9C

[3] https://www.deutschlandfunk.de/bundesverwaltungsgericht-in-leipzig-kameras-im-gerichtssaal-100.html

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