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Kann künstliche Intelligenz ein fairer Richter sein?

Die Regierung ist üblicherweise nicht der erste Ort, an dem wir Innovationen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) oder Digitalisierung finden. Doch im Rahmen des Vorstoßes, Regierungsdienste intelligenter zu machen, plant Estland KI einzusetzen, um einige Bagatellfälle ohne Regierungsangestellte zu entscheiden.

Die angebotenen Dienstleistungen für die Einwohner optimieren

Der 28-jährige Doktorand Ott Velsberg, Chief Data Officer Estlands, überwacht die Bestrebungen des kleinen baltischen Staates, künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen in die Dienste für seine 1,3 Millionen Bürger einzubauen. An der schwedischen Universität Umeå schreibt er seine Doktorarbeit über die Nutzung des Internets der Dinge und von Sensordaten in staatlichen Diensten – die erste Forschungsarbeit zu diesem Thema an der Uni. Die estnische Regierung beauftragte Velsberg im vergangenen August mit der Durchführung eines neuen Projekts zur Einführung von KI in verschiedenen Ministerien, um die den Einwohnern angebotenen Dienstleistungen zu optimieren. Der Einsatz von KI sei dabei entscheidend, so Velsberg.

Regierungsangestellte werden durch Algorithmen ersetzt

Laut Velsberg werden künstliche Intelligenz oder maschinelles Lernen bereits an 13 Orten in Estland eingesetzt, an denen ein Algorithmus Regierungsangestellte ersetzt hat. So kontrollieren beispielsweise Inspektoren nicht mehr die Landwirte, die staatliche Subventionen erhalten, um jeden Sommer ihre Heufelder zu mähen. Stattdessen werden Satellitenbilder, die jede Woche von Mai bis Oktober von der Europäischen Weltraumorganisation aufgenommen werden, in einen Deep-Learning-Algorithmus eingespeist. Der Algorithmus bewertet jedes Pixel in den Bildern und bestimmt, ob der Teil des Felds geschnitten wurde oder nicht. Nur in Zweifelsfällen, wie z. B. wenn eine Viehbeweidung die Bildverarbeitung beeinträchtigt, fährt ein Inspektor zur Kontrolle aus. Zwei Wochen vor dem Mähtermin benachrichtigt das automatisierte System die Landwirte per SMS oder E-Mail, die einen Link zum Satellitenbild ihres Feldes enthält. Laut Velsberg sparte das System im ersten Jahr 665.000 €, weil die Inspektoren weniger Besuche vor Ort machten und sich auf andere Durchsetzungsmaßnahmen konzentrieren konnten.

Roboterrichter sollen Rückstau an Gerichtsfällen beseitigen

Neben zahlreichen weiteren erfolgreichen Anwendungsfällen von KI und maschinellem Lernsystem – unter anderem zum Matching von Arbeitnehmern mit passenden Stellen auf der Arbeitsbörse – gilt das Projekt des estnischen Justizministeriums als besonders ehrgeizig. Das Team rund um Velsberg wurde nämlich gebeten, einen „Roboterrichter“ zu entwickeln, der Streitigkeiten über geringfügige Forderungen von weniger als 7.000 € entscheiden könnte. Beamte hoffen, dass das System einen Rückstau an Fällen für Richter und Gerichtsschreiber beseitigen kann. Das Projekt befindet sich noch in der Anfangsphase und wird voraussichtlich noch in diesem Jahr mit einem Pilotprojekt beginnen, das sich auf Vertragsstreitigkeiten konzentriert. Im Konzept werden die beiden Parteien Dokumente und andere relevante Informationen hochladen, und die KI wird eine Entscheidung treffen, die bei einem menschlichen Richter angefochten werden kann. Viele Details müssen noch ausgearbeitet werden. Velsberg meint, dass das System möglicherweise auch nach Rückmeldungen von Anwälten und Richtern angepasst werden muss.

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Die USA nutzen bereits KI in der Verwaltung

Estlands Versuch ist nicht der erste, der KI und das Gesetz kombiniert, obwohl es möglicherweise der erste ist, der einem Algorithmus Entscheidungsbefugnis verleiht. In den USA nutzt die staatliche Rentenversicherung KI, um die Sortierung und Bearbeitung zu beschleunigen, während die Umweltschutzbehörde diese einsetzt, um zu bestimmen, welche Fabriken auf Verstöße gegen die Umweltverschmutzung überprüft werden sollten. Die Idee eines Roboterrichters könnte in Estland zum Teil funktionieren, weil die 1,3 Millionen Einwohner bereits einen nationalen Personalausweis verwenden und an ein Online-Menü mit Diensten wie E-Voting und digitale Steuererklärung gewöhnt sind. Regierungsdatenbanken sind über die sogenannte X-Road miteinander verbunden – eine digitale Infrastruktur, die den Datenaustausch erleichtert. Dennoch sieht Engstrom eine Zeit voraus, in der KI-gesteuerte Rechtsassistenten den Richtern Rechtsprechung, Präzedenzfälle und den für eine Entscheidung erforderlichen Hintergrund präsentieren könnten.

Fazit: KI ist nur so gut, wie die Programmierung dahinter

Der KI-Ansatz verspricht mehr Konsistenz und Genauigkeit als ein menschliches Entscheidungsfindungssystem, doch die Kehrseite ist, dass eine KI nur so gut ist, wie auch die Programmierung dahinter. Im Moment gefällt den estnischen Beamten jedoch die Idee eines KI-Roboters, der einfache Streitigkeiten löst und menschlichen Richtern und Anwälten mehr Zeit lässt, um schwierigere Probleme zu lösen:

Der Einsatz von mehr KI in Regierungsdiensten wird es uns ermöglichen, uns auf etwas zu spezialisieren, was die Maschinen niemals können. Ich möchte mich darauf spezialisieren, ein warmherziger, mitfühlender Mensch zu sein.“

Kersti Kaljulaid, die ehemalige Präsidentin der Republik Estland, auf der KI-Konferenz North Star in Tallinn.

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