Neben der verpflichtenden Einführung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) sorgten vor allem privatwirtschaftliche Akteure in den letzten Jahren für Umschwung in der Rechtsbranche. Legal Tech Befürworter sehen riesiges Potenzial in der technologischen Fortentwicklung wohingegen traditionelle Juristen den neuartigen Entwicklungen weiterhin skeptisch entgegenblicken. Das liegt nicht zuletzt an den Befürchtungen, dass Legal Tech in Wahrheit nur ein Hype sei oder Roboter die Arbeit des Menschen ersetzen können. In diesem Beitrag wollen wir uns die hartnäckigsten Legal Tech Mythen einmal genauer ansehen und einem Faktencheck unterziehen.
1. Legal Tech ist bloß ein Hype, ohne wirklichen Markt
Dieser Mythos hält sich nicht zuletzt, da der Legal Tech Markt häufig in Relation zu seinem großen Bruder, dem Fintech Markt in Relation gesetzt wird. Zwar konnten Fintech Unternehmen wie Paypal, Klarna oder Coinbase im Jahr 2021 Wagniskapital von insgesamt mehr als 130 Milliarden US Dollar einnehmen. Allerdings erreichten Legal Tech Start-Ups 2021 auch die Marke einer Milliarde Dollar Risikokapital und knackten somit das Allzeithoch der Ivestments in die Legal Tech Branche. Betrachtet man den Legal Tech Markt also gesondert vom boomenden Fintech Markt, kann von einem bloßen Hype ohne wirklichen Markt nicht die Rede sein. Allerdings konnten die Investments in den Legal Tech Markt in diesem Jahr ihren Aufwärtstrend nicht fortsetzen. Woran das liegt und wie das ganze einzuordnen ist erfahren Sie in unserem neuen Beitrag.
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2. Roboter ersetzen den Menschen
Maschinen ersetzen in Zukunft Richter und fällen Urteile über Menschen ist einer der hartnäckigsten Mythen, wenn es um Legal Tech geht und bereitet einigen ein schlechtes Gefühl im Magen. Nichtsdestotrotz ist dieser Mythos als wahr einzustufen. Bei dem sogenannten „Robo-Judge“ handelt es sich um ein reales Projekt, dass derzeit in Estland getestet wird. Allerdings befindet sich der „Robo-Judge“ derzeit noch in der Anfangsphase und sollte es zu einem reellen Einsatz kommen unterliegt das maschinengefällte Urteil strengen Regularien, wie zum Beispiel der bloßen Nutzung in zivilrechtlichen Vertragsstreitigkeiten mit einem Streitwert bis zu 7.000 €. In Deutschland herrschen bisweilen noch verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Urteilsfällung maschinengesteuerter Richter. So behält Art. 92 Grundgesetz die rechtsprechende Gewalt ausschließlich menschlichen Richtern vor. Trotzdem wird auch hierzulande künstliche Intelligenz als Unterstützung für den menschlichen Richter am Frankfurter Amtsgericht getestet. Und auch in Ländern wie Österreich, Australien oder Brasilien bedienen sich die Gerichte bereits erfolgreich der Unterstützung von Algorithmen. Mit der Frage ob Maschinen gerechte Urteile fällen können haben wir uns in einem anderen Beitrag beschäftigt.
3. Deutschland hinkt im internationalen Vergleich hinterher
Dass Deutschland in vielen Bereichen der Digitalisierung hinterherhinkt ist wohl kein Geheimnis. Doch lässt sich das auch über auch im Hinblick auf Legal Tech bestätigen? Die klare Antwort ist: Ja. Das belegte vor kurzem noch eine Studie der Boston Consulting Group, der zufolge Deutschland einen Rückstand von 10-15 Jahren auf die technologisch führenden Länder hat. Der digitale Fortschritt in den Gerichten sei weder auf der Höhe der Zeit, noch nutzerfreundlich und zudem von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. In Ländern wie Singapur, China oder Großbritannien sieht dies ganz anders aus. Die Vorreiter-Nationen zeichnen sich durch großzügige Investments und Technologie-Offenheit in einer Vielzahl von Projekten aus. Gleichwohl hat die Corona Pandemie auch in Deutschland zu einem Neudenken bezüglich der Digitalisierung der Justiz geführt. So hat sich in jüngster Vergangenheit neben den privaten Rechtsdienstleistern auch die Ampel-Regierung zum Ziel gesetzt, einen Umschwung bei der Digitalisierung der Justiz herbeizuführen.
4. Legal Tech spielt in der Juristenausbildung keine Rolle
Ein weiterer Mythos und zugleich ein Erklärungsversuch dafür, dass Deutschland einen abschüssigen Rang im internationalen Vergleich einnimmt, ist, dass im Jurastudium wenig, bis keinen Wert auf die Legal Tech gelegt wird. Doch stimmt das? Mit Hinblick auf den staatlichen Pflichtstoffteil kommt eine Studie des Juraprofessor Dr. Heribert M. Anzinger zu dem klaren Ergebnis: Ja. Zwar lassen sich an einigen Universitäten im Rahmen von Schlüsselqualifikationen gewisse interdisziplinäre Kompetenzen aneignen, allerdings erlernt der Großteil der Studierenden während des Studiums keine Kenntnisse im Bereich Legal Tech. Nichtsdestotrotz scheint sich auch hier eine positive Entwicklung abzuzeichnen. So ist es beispielsweise an der Universität Passau mittlerweile möglich, einen Bachelor of Laws (LL.B.) in Legal Tech zu erwerben. Zudem haben sich außerhalb der Universitäten in den vergangenen Jahren zahlreiche studentische Organisationen gebildet, die auf eigene Initiative verstärkt auf die Digitalisierung der Rechtsbranche hinweisen und in Workshops und Seminaren verschiedene Kompetenzen vermitteln.
5. Fazit
Der aufmerksame Leser hat gemerkt, dass sich die meisten Mythen nicht zweifelsfrei als „richtig“ oder „falsch“ abstempeln lassen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich Legal Tech in einer rasanten Entwicklungsphase befindet, in der es zu schnellen Veränderungen kommen kann. Die Tendenz zeigt allerdings, dass Legal Tech in naher Zukunft eine weitaus wichtigere Rolle spielen wird, als es bisher bereits der Fall ist. Die technologischen Möglichkeiten erlauben es, das juristische Arbeiten effizienter zu gestalten und für mehr Zugang und Transparenz des Rechts zu sorgen.