PwC ist bekannt und Aleph Alpha zumindest den am Puls der Zeit gebliebenen Juristen auch. Creance.ai hingegen hat wohl noch niemand gehört, oder? Falsch! In der Legal-Tech-Branche ist das joint venture von den beiden (in ihren Bereichen jeweils) Big Playern durchaus bekannt und seine Veröffentlichung wird mit Spannung erwartet. Nicht nur aus deutscher Sicht lohnt sich ein Blick auf den „unnoticed rising star“ im KI-Recht. Vielmehr zeigt dieses Projekt musterbeispielhaft, warum KI in Europa anders sein muss als ChatGPT und was daran gut und schlecht ist.

Bild: https://www.creance.ai/
1. Wer ist Aleph Alpha?
„Verantwortung in einer neuen Ära: Eine neue Generation von KI gestaltet die Wissensarbeit neu. In den komplexesten und kritischsten Umgebungen gibt es keine einfachen Antworten. Die Übernahme von Verantwortung erfordert ein Mensch-Maschine-Leitbild jenseits von Chatbots, die auf Datensicherheit, Technologietransparenz und Transparenz von Ergebnissen ausgelegt sind.“ So beschreibt sich Aleph Alpha auf der Website selbst. Im Grunde ist Aleph Alpha die europäische Antwort auf ChatGPT und OpenAI. Die entsprechenden Vorteile der strikteren EU-Regulierung führen dabei zu den genannten Vorteilen, aber auch zu einem meist langsameren Entwicklungs-Tempo, weshalb die KI weit weniger bekannt ist als amerikanische Kollegen.
2. Schon wieder ein neues LLM?
Wieso denn aber nun das tausendste KI-Modell, wenn doch eh OpenAI allen anderen Entwicklern meilenweit voraus ist? Nun ja, der Überraschungsschachzug und der so nicht ganz erwartete Hype Ende 2022 hat OpenAI tatsächlich von einem für die breite Bevölkerung unbekannten Startup zum absoluten Marktführer gemacht. An welchen Namen denken Sie, wenn Sie „KI-Chatbot“ hören? An den Konkurrenten von Google? Gar Apple? Nein, es ist ChatGPT und durch seinen mega Erfolg hat sich das user-branding sozusagen selbst ergeben. Das macht es für junge KI-Startups enorm schwer, nun mitzuhalten. Training ist teuer und wenn keiner das Produkt kennt sind Investoren fern. Doch Creance.ai hat einen entscheidenden Vorteil, der die Herausforderungen midnestens aufwiegt.


3. DORA
Und dieser Vorteil ist nicht nur, dass mit PwC ein durchaus vermögender Partner gefunden wurde. Es ist vielmehr der USP, der auch auf der eigenen Website sofort sichtbar ist: Wir sind DORA-bereit. Schön. Aber was heißt das und warum sollte ich deswegen auf ein bislang weniger entwickeltes LLM warten, anstatt einfach OpenAI zu benutzen?
DORA steht für Digital Operational Resilience Act. Diese EU-Regulierung betrifft ab dem 17.01.2025 den gesamten Finanzsektor und damit etwa auch alle Banken in Europa. Und wie in einem Legal-Tech-Bilderbuch lässt sich hier sehen, was Digitalisierung und Recht so herrlich zueinander passend macht: Durch neue Gesetzgebung müssen immer wieder unfassbar viele Dokumente, Verträge und sonstiges auf Compliance geprüft werden. Was wäre da besser, als ein Algorithmus, der den ganzen Tag Regeln und Anforderungen vergleicht?
4. Warum creance?
Es sind im Grunde die gleichen (durchaus gewichtigen) Gründe, die auch für Aleph Alpha sprechen. Während sich in den USA mit der neuen Regierung eine Deregulierung des KI-Sektors ankündigt (Beitrag „Legal Tech Prognosen für 2025„) ist die EU gerade dafür bekannt, die Sicherheitsrisiken der Technologie ernst zu nehmen und stellt somit hohe Anforderungen an die Entwicklung und an den Datenschutz. Ein im Mutterland des Datenschutzes entwickeltes Modell hat hier offensichtliche Vorzüge. Auch die beworbene Transparenz und der open-source-access werden für viele europäische Geschäftsführer wichtig sein. Gerade im Rechtsbereich ist die Vertraulichkeit der Daten ein driving factor bei Mandanten. Deshalb legt Legalvisio übrigens auch besonderen wert auf Datensicherheit mit Servern in Deutschland!

5. Fazit
Jonas Andrulis hat es bereits sehr treffend zusammengefasst: Repetitive Aufgaben gehören automatisiert! Hierin steckt ein enormes Potenzial, das besonders den Rechtsmarkt disruptieren wird. Neue Berufsfelder werden entstehen, Arbeitsweise und Inhalt werden sich ändern. Seine Arbeit zu digitalisieren bedeutet mehr Geld in weniger Zeit, mehr Widmung der eigentlichen Aufgaben und weniger stupide, lästige und zeitfressende Standard-Aufgaben und Bürokratie-Arbeit. Creance.ai könnte gerade deshalb mit großem Erfolg durchstarten und es lohnt sich, diese Entwicklung im Auge zu behalten.