Das Modell des Arbeitens aus dem Homeoffice seit mehreren Jahren eine echte Alternative zum festen Büro am Arbeitsplatz. Schon eine Studie vor Corona aus dem Jahr 2019 ergab, dass sich bereits jeder achte Beschäftigte zumindest gelegentlich vom heimischen Arbeitsplatz aus betätigte. In der Pandemie wurde die Arbeit im Homeoffice in vielen Berufen – zumindest zweitweise – der Regelfall und der eigentliche Arbeitsplatz blieb unbesetzt. Die Tendenz zeigt: Immer mehr Menschen möchten auch heutzutage noch orts- und zeitunabhängig, sei es aus dem Homeoffice oder als „Digital Nomad“ in einem anderen Land arbeiten. Wie das Konzept des Remote Working auch in deiner Kanzlei gelingt, zeigen wir dir hier.
1. Auf einen Blick
- Die Konzepte für die konkrete Ausgestaltung von Remote Working unterscheiden sich oft grundlegend
- Auf der einen Seite sehen Remote Work Modelle die partielle Möglichkeit zur heimischen Arbeit vor, auf der anderen Seite erfasst der Begriff einen vollkommen ortsunabhängigen „Remote Only“ bzw. „Working Abroad“ -Arbeitsplatz
- Remote Work kann nicht nur für den Arbeitnehmer, sondern auch für den Arbeitgeber eine attraktive Alternative zur herkömmlichen Arbeit an einem festen Ort sein
- Während die Hürde für die Tätigkeit vom innerdeutschen Homeoffice nicht besonders hoch ist gilt es bei der Arbeit als „Digital Nomad“ ein paar grundlegende rechtliche Besonderheiten zu beachten
2. Die wenigsten bieten es an
Was in den meisten Start-Ups heutzutage bereits angeboten wird, ist in Anwaltskanzleien äußerste Seltenheit: Der „Remote Only“ oder „Working Abroad“ -Arbeitsplatz. Zwar bieten Kanzleien vermehrt Hybridmodelle an, allerdings geht es vielen Mitarbeitern gerade darum in ihrer Arbeit vollkommen ortsunabhängig zu sein. Dabei gibt es zahlreiche Gründe, warum auch Kanzleien hiervon profitieren können. Einer der wichtigsten Gründe ist, dass die Kanzlei sich keine eigenen Barrieren bei der Arbeitnehmerauswahl in den Weg legt. Ob eine junge Anwältin, die gerne aus dem Ausland arbeiten würde, oder die Kooperation mit einem ausländisch ansässigen IT-Spezialisten oder Marketingexperten. Sie alle könnten die Kanzlei enorm bereichern, sofern Remote Work zu den Benefits gehört. Die Voraussetzungen für eine Remote-fähige Kanzlei sind nicht besonders hoch, gleichwohl gibt es einige rechtliche Rahmenbedingungen zu beachten.
3. Welche rechtlichen Voraussetzungen gilt es zu beachten?
Zunächst muss das Beschäftigungsverhältnis der Mitarbeiter geklärt werden. Je nachdem ob das Beschäftigungsverhältnis in einem Angestelltenverhältnis in der Sozietät oder als Freelancer ausgestaltet ist, ergeben sich unterschiedliche Rechte und Pflichten.
Aus steuerlicher Perspektive muss zunächst geklärt werden, in welchem Land der Arbeitnehmer Lohnsteuer abzuführen hat. Die Lohnsteuer des Arbeitnehmers wird in der Regel direkt vom Bruttolohn durch den Arbeitgeber an das Finanzamt abgeführt. Für die Lohnsteuerpflichtigkeit kann die 183-Tage-Regelung als Faustformel herangezogen werden. Hält der Arbeitnehmer sich weniger als 183 Tage im Jahr im Ausland auf, so ist die Lohnsteuer weiterhin in Deutschland zu verrichten. Etwas anderes ergibt sich, wenn der Arbeitnehmer den gewöhnlichen Aufenthaltsort ins Ausland verlagert und seinen Wohnsitz in Deutschland aufgibt. Dann ändert sich die Steuerpflicht von der unbeschränkten zur beschränkten Pflicht und der Kanzleimitarbeiter kann von der deutschen Lohnsteuerpflicht befreit werden. Hierbei entscheiden am Ende jeodoch die Umstände des Einzelfalls, sodass im Zweifel stets ein Experte zurate gezogen werden sollte. Bei der Beauftragung eines Freelancers kommt es darauf an, für welche konkrete Leistung die Vergütung gezahlt wird. Infolgedessen kann sich eine beschränkte Steuerpflicht des Freelancers in Deutschland ergeben oder eine Pflicht zum Steuerabzug für dich als Auftraggeber. Um auf der sicheren Seite zu stehen, solltest du deswegen eine Freistellungsbescheinigung beim Finanzamt einholen. Diese ermöglicht die Befreiung der Steuerabzugsverpflichtung und wird basiert auf dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und dem jeweiligen Staat, in dem der Mitarbeiter sich als Digital Nomad aufhält.
Neben den steuerlichen Pflichten sind vor allem sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten zu beachten. Im EU-Ausland gibt es die Möglichkeit eine Ausnahmeregelung mit den zuständigen Behörden (in Deutschland: DVKA) zu schließen, um das am meisten sinnvolle Sozialversicherungsrecht von den betroffenen Ländern zur Anwendungs kommen zu lassen. Hier empfiehlt es sich im Vorfeld klar definierte Vereinbarungen mit dem jeweiligen Mitarbeiter zu treffen. Was die Sozialversicherungspflicht in Drittstaaten betrifft, so ist grundsätzlich das Recht des betroffenen Landes maßgebend. Arbeitsrechtliche und aufenthaltsrechtliche Besonderheiten sind nur in Ausnahmefällen ein Hindernis für Work Abroad dar.
4. Lohnen sich externe Dienstleister?
Die rechtlichen Fallstricke im Zusammenhang mit Working Abroad haben in der Vergangenheit ein neues Geschäftsfeld aufgerollt: Service-Dienstleister, die die Unsicherheiten des mobilen Arbeitens im Ausland aus dem Weg räumen sollen. Hierfür offerieren die neuen Dienstleister die Anstellung von Mitarbeitern über deren eigene Niederlassung im Ausland, über die die Mitarbeiter für den Auftraggeber in Deutschland tätig werden können. Durch das Angestelltenverhältnis über die Niederlassung des Dienstleisters werden Risiken und Pflichten des Arbeitgebers wie Steuern, Arbeitsbedingungen oder Sozialversicherung ausgelagert und der Dienstleister tritt rechtlich an die Stelle des alleinigen Arbeitgebers.
Bei dieser Konstellation besteht allerdings das Risiko, dass dies als (grenzüberschreitende) Arbeitnehmerüberlassung gewertet wird und die Vorschriften des deutschen Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) einschlägig sind. Zwar gilt im Hinblick auf die Arbeitnehmerüberlassung grundsätzlich das Territorialitätsprinzip, sodass das AÜG lediglich Fälle innerdeutscher Arbeitnehmerüberlassung erfassen würde. Allerdings vertritt die Bundesagentur für Arbeit nunmehr die Ansicht, dass Remote Work – Fälle im AÜG nicht bedacht wurden und der Schutzzweck des Gesetzes in derartige Fällen torpediert würde. Eine Auslagerung der Risiken und Pflichten auf einen externen Dienstleister mit Niederlassung im Ausland ist daher nicht empfehlenswert.
5. So machen es die Großen
Während das Modell des „Working Abroad“ für die meisten großen Wirtschaftskanzleien noch Neuland ist, ist die Arbeit aus dem Homeoffice in den großen Sozietäten verbreitet.
- Angestellte der Kanzlei Noerr konnten während der Pandemie bei einer Befragung teilnehmen und angeben, ob und wie oft sie bevorzugt von zu Hause aus oder im Büro arbeiten wollen. Die Umfrage ergab, dass die Mehrheit der Befragten einen bis maximal drei Tage pro Woche im Homeoffice präferieren.
- Mit der länderübergreifenden „Remote Working Policy“ gehörte Linklaters zu den ersten Kanzleien, die bereits vor der Pandemie langfristig mit vermehrter Tätigkeit aus dem Homeoffice rechneten. Die Policy sieht vor, dass mindestens 20 und höchstens 50 Prozent der Arbeitszeit vom heimischen Schreibtisch aus absolviert werden dürfen. Eine Möglichkeit zur vollständigen Remote Work lehnt die Wirtschaftskanzlei ab, mit der Begründung, dass die Büroräume weiterhin Zentrum des gemeinsamen Arbeitens bleiben sollen.
- Anders handhabt es das „flexible Modell“ der Rechtsanwalts- und Steuerberaterkanzlei Poellath. Hier sind die Mitarbeiter vollkommen frei in der Bestimmung ihres Arbeitsortes und der genauen Arbeitszeit. Das Ganze hat allerdings einen Haken: Entscheidet sich ein Berufsträger für das flexible Modell gibt er sein eigenes Büro in der Kanzlei auf und muss, sofern er sich doch vor Ort aufhält, von einem Shared Desk aus arbeiten.
6. Fazit
Remote Work ist längst in der Rechtsbranche angekommen. Die konkreten Konzepte und Ausgestaltungen unterscheiden sich in ihrer Umsetzung hingegen signifikant. Während sich das Digitale Nomadentum auf dem Rechtsmarkt noch nicht durchsetzen konnte, ist die Arbeit aus dem Homeoffice längst verbreitet. Die Entscheidung, ob Remote Work für die eigene Kanzlei in Frage kommt, ist stets eine individuelle. Setzt die Kanzlei stark auf Teambuilding und den gemeinsamen Austausch, so empfiehlt es sich die eigenen Büroräume weiterhin als zentralen Ort des gemeinsamen Arbeitens zu nutzen. Ist die Tätigkeit der einzelnen Berufsträger hauptsächlich individueller Natur, so kann auch eine über eine uneingeschränkte Möglichkeit zur Arbeit von zu Hause nachgedacht werden. Eine gänzliche Beschränkung der Möglichkeit zum Homeoffice innerhalb Deutschlands ist zweifelsohne nicht mehr zeitgemäß. Im Hinblick auf ein „Working Abroad“ – Modell, das den Mitarbeitern Digitales Nomadentum ermöglicht sind stets die rechtlichen Fallstricke des Einzelfalls zu prüfen. Lassen sich dabei keine größeren Hindernisse erkennen, kann auch dieses Modell deine Kanzlei bereichern, indem talentierte Anwärter nicht allein aufgrund der regionalen Begrenzung des Bewerberkreises ausgeschlossen werden.