Zwei Jahre Pandemie haben unseren Arbeitsalltag und die Art und Weise, wie wir gemeinsam arbeiten grundlegend verändert. Wer hätte vor Februar 2020 gedacht, dass virtuelle Meetings der Produktivität von persönlichen Treffen nichts nachstehen, dass der Einsatz von internen Kommunikationsplattformen wie Slackeinmal Rundmails ersetzen würden und dass sogar Gerichtsverhandlungen problemlos digital stattfinden können. Was aber bleibt von diesen Veränderungen, wenn die Regeln des social distancing einmal nicht mehr unseren Alltag bestimmen werden?
Auf einen Blick
Die Corona-Panedmie war ein Disruptor in der Arbeitswelt. Etablierte Prozesse mussten neu gedacht werden. Die dabei gefundenen Lösungen bringen Effizienzgewinne mit sich, auf die auch in der postpandemischen Arbeitswelt nicht verzichtet werden wird. Besonders der Einsatz von innovativen Lösungen für hybrides und kollaboratives Arbeiten wird aus dem Arbeitsalltag kaum noch wegzudenken und zukünftig ein relevantes Differenzierungskriterium zwischen Arbeitgebern sein.
Homeoffice: Hybrides Arbeiten wird die Norm

Mit dem Ende der Homeoffice-Pflicht regt sich auf Seiten der Beschäftigten Widerstand gegenüber der Aussicht bald wieder täglich im Büro sein zu müssen. So wären laut einer Studie des Meinungsforschungsinstituts YouGov für das Portal Kununu 20% der Arbeitnehmer bereit ihren Job zu kündigen, wenn der Arbeitgeber nach Ablauf der Corona-Maßnahmen verlangt, dass wieder ausschließlich im Büro gearbeitet wird.[1] Lässt sich dieses Ergebnis auch auf den Kanzleialltag übertragen? Laut einer Erfassung des Kastle Systems Back to Work Barometers kehrten U.S. Arbeitnehmer in der Rechtsberatung bis zu 45% häufiger zu ihrem Arbeitsplatz im Büro zurück als Arbeitnehmer anderer Branchen.[2] Zu diesem Ergebnis führen verschiedene Faktoren: so ist es in traditionell konservativen Berufen wie dem des Rechtsanwalts üblich das Hauptgeschäft vom Büro aus zu führen. Auch von Seiten der Mandantschaft ist die Erwartung in (repräsentativen) Kanzleiräumlichkeiten beraten zu werden keine Seltenheit. Darüber hinaus begrüßen viele Anwälte die Trennung des beruflichen vom privaten Umfeld, um eine Situation dauerhafter Erreichbarkeit zu vermeiden. Außerdem ist intensive Teamarbeit heute aus Kanzleien nicht mehr wegzudenken. Zwar lassen sich Meetings mittlerweile produktiv und sicher über die verschiedenen Plattformen durchführen, vermögen den persönlichen Austausch und die spontanen Gespräche in der Kaffeeküche oder auf dem Flur jedoch nicht zu ersetzen. Schlussendlich vermag der mangelnde Stand der Digitalisierung in vielen Kanzleien ein treibender Faktor für die Rückkehr ins Büro gewesen sein. Ohne digitalisierte Akten und cloudbasiertes Arbeiten mit einer modernen Kanzleisoftware ist ein reibungsloses Arbeiten in den eigenen vier Wänden kaum möglich.
Dennoch: der Wunsch nach der Ermöglichung von flexiblen Homeoffice-Tagen wird auch nach Ende der Corona-Zeit bleiben. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Produktivität im Homeoffice entgegen manchen Befürchtungen nicht sinkt. Auch die notwendige Infrastruktur wird in dieser Zeit geschaffen worden sein, um reibungslose Fernkommunikation mit Kollegen und Mandanten zu ermöglichen. Positive Erfahrungen mit Heimarbeit und die vorgenannten Faktoren werden sicher Forderungen oder Wünsche nach Heimarbeit das nötige Gewicht zur Durchsetzung verschaffen. Junge Berufseinsteiger legen immer mehr Wert auf flexible Arbeitszeiten, die zu ihren modernen Lebensentwürfen passen. [3] Hybrides Arbeiten und mehr Flexibilität in der Wahl des Arbeitsortes sind dafür Voraussetzung und werden folglich für die in den Arbeitsmarkt eintretenden neuen Generation von Anwälten als Digital Natives ein Differenzierungskriterium zwischen Arbeitgebern sein.
Collaboration Tools sind gekommen, um zu bleiben
Das hybride oder ausschließliche digitale Arbeitsumfeld der pandemischen Heimarbeit erforderte ein Umdenken der etablierten Arbeitsweisen. Meetings wurden digital abgehalten, Kommunikationstools wie Slackoder Microsoft Teams und moderne Kanzleisoftware wurden angeschafft und Organisationstools wie Asanaoder Notion wurden etabliert. War der Einsatz dieser Programme vor der Pandemie noch üblicherweise nur in modernen Start-Ups und NGOs zu finden, so haben diese nun auch die traditionellere Arbeitswelt erreicht. Die Vorteile dieser Tools liegen auf der Hand und sind nicht nur an hybrides und digitales Arbeiten gekoppelt: viele Meetings lassen sich effizienter online abhalten, Slack oder Microsoft Teams ermöglichen eine geordnete und nachvollziehbare Kommunikation zwischen den Mitarbeitern und Organisationstools stellen eine klare Aufgabenverteilung sowie eindeutige Verantwortlichkeiten sicher. Auch moderne Kanzleisoftware mit digitalen Akten, Zeiterfassung und einem Überblick zu allen wichtigen Kennzahlen der Kanzlei ermöglicht ein modernes und effizientes Arbeiten.
Mit der Beibehaltung hybrider Arbeitsmodelle und der gesteigerten Relevanz ihres Angebots wird es unumgänglich sein auch nach der Pandemie diese „Collaboration Tools“ einzusetzen. Diejenigen, die ihre Arbeitsvorgänge schon digital umgestellt haben werden sich kaum noch davon lösen lassen. Diejenigen, die sich bisher vor dem Einsatz der genannten Programme gescheut haben erwartet langfristig ein Wettbewerbsnachteil, da für junge Rechtsanwälte eine digitale (und damit moderne) Kanzlei ein ausschlaggebendes Auswahlkriterium bei der Arbeitgebersuche ist.
Gerichtsverhandlungen per Video – § 128a ZPO

Schon seit 2002 ermöglicht die ZPO mit § 128a ZPO allen Beteiligten einer Verhandlung die Teilnahme per Videokonferenz. In der Praxis wurde von dieser Regelung vor der Corona-Pandemie jedoch kaum Gebrauch gemacht. Die Gründe dafür lagen einerseits in der mangelnden technischen Ausstattung der Gerichte; jedoch auch in Vorbehalten gegenüber der digitalen Lösung. Gerade bei Zeugenbefragungen komme es auf den persönlichen Eindruck, die Gestik und Mimik an, die im persönlichen Gespräch viel deutlicher zum Ausdruck kämen. Mit der Einführung der social distancing Regeln im Zuge der Pandemie musste gezwungenermaßen auf den Einsatz des § 128a ZPO zurückgegriffen werden. Dabei wurde erkannt, dass diese Schwächen je nach Verfahrenssituation unerheblich sein können. Effizienzgewinne sind die Folge: so lassen sich mit der Verwendung von Videokonferenzen Zeit und Kosten sparen. Das sei insbesondere bei wirtschaftlichen Streitigkeiten der Fall, während bei persönlichen Konflikten ein Aufeinandertreffen der Konfliktparteien nach wie vor vorzugswürdig sei, so das Anwaltsblatt. [4]
Die hier angesprochenen Effizienzgewinne und die Wiederentdeckung des § 128a ZPO als wertvolle, bereichernde Ergänzung im Zivilprozess werden auch in Zukunft dazu führen, dass Gerichtsverhandlungen zumindest in Teilen digital geführt werden.
Fazit
Die Corona-Panedmie war ein Disruptor in der Arbeitswelt. Etablierte Prozesse mussten neu gedacht werden. Die dabei gefundenen Lösungen bringen Effizienzgewinne mit sich, auf die auch in der postpandemischen Arbeitswelt nicht verzichtet werden wird. Besonders der Einsatz von innovativen Lösungen für hybrides und kollaboratives Arbeiten wird aus dem Arbeitsalltag kaum noch wegzudenken und zukünftig ein relevantes Differenzierungskriterium zwischen Arbeitgebern sein.
[1] https://2p9gg33w24r1kgv74eqo6qrl-wpengine.netdna-ssl.com/wp-content/uploads/2021/10/Studie-YouGov-4.jpeg, https://news.kununu.com/presseinformation/jeder-zweite-erwartet-von-kommender-bundesregierung-homeoffice-garantie/
[2] https://www.kastle.com/safety-wellness/getting-america-back-to-work/
[3] https://www.juve.de/karriere/junge-juristen-betriebsklima-spielt-eine-entscheidende-rolle-bei-der-jobwahl/,https://anwaltsblatt.anwaltverein.de/de/anwaeltinnen-anwaelte/anwaltspraxis/zauberwort-flexibilitaet-was-junge-juristinnen-heute-von-kanzleien-erwarten
[4] https://anwaltsblatt.anwaltverein.de/de/anwaeltinnen-anwaelte/anwaltspraxis/gerichtsverhandlung-per-videokonferenz-keine-angst-vor-128a-zpo
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