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Neuralink: Strafbarkeit bei KI-Fernsteuerung des Gehirns eines Mörders/Trierer Weinversteigerungsfall 2.0?

Die Mission von Neuralink ist es, eine Verbindung zwischen dem menschlichen Gehirn und einem Computer herzustellen (Brain-Computer-Interface). Dies soll unter anderem dabei helfen, dass querschnittsgelähmte Menschen wieder ihre Arme und Beine bewegen können, dank Gedankenübertragung über einen Computer.

Doch was passiert bei Fehlfunktionen? Was, wenn dadurch eine umgekehrte Fernsteuerung der menschlichen Gliedmaßen durch einen Computer möglich wird? Ist das im Mordfall eine Variant der mittelbaren Täterschaft nach § 25 I StGB? Ein Werkzeug nach dem StGB? Und was passiert in Fällen, wo es eine technische Panne gibt und der Mensch gar nicht seinen Arm benutzen wollte? Ist es das Sci-Fi-Pendant zum Trierer Weinversteigerungsfall oder fehlt schon das Handlungsbewusstsein zum Vorliegen einer Willenserklärung?

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1. Was ist Neuralink?

Die Firma wurde 2016 unter anderem von Elon Musk gegründet. Laut eigener Aussage möchte sie ein massentaugliches Gerät n Form eines Chips entwickeln, dass im menschlichen Gehirn eingepflanzt werden kann, um Gehirnströme an einen Computer weitergeben zu können. Es soll also die Schnittstelle zwischen Gehirn und Computer geschaffen werden (Brain-Computer-Interface). Die Entwicklung hiervon soll ein Meilenstein der Technologie sein.

2. Wie weit ist das Projekt?

Für alle Skeptiker der Umsetzbarkeit gibt es doppelt schlechte Nachrichten: Schon vor längerer Zeit wurde ein Versuch mit einem Affen erfolgreich durchgeführt. Dieser konnte ein Computerspiel nur durch die Kraft seiner Gedanken spielen und Elemente auf dem Computer bewegen. Das ist ein Meilenstein der modernen Geschichte, der an vielen unbemerkt vorbei gegangen ist. Es lohnt sich sehr, das Video von diesem Affen anzusehen, denn erst wenn man sieht, wie er keinen Muskel in seinem Körper bewegt und dennoch die komplette Steuerung schafft, wird klar wie besonders das ist.

Und nun ganz aktuell hat Neuralink zum ersten mal einen ihrer Chips in ein menschliches Gehirn eingepflanzt. Die OP ist gut verlaufen und so bleiben nun die ersten Ergebnisse abzuwarten.

3. Was daran ist alt und was neu?

Bereits vor vielen Jahren war es verschiedenen Forschergruppen gelungen, durch Elektroden außerhalb des Kopfes bzw. um ihn herum Menschen mit ihrer Gedankenkraft etwa ein Fahrzeug steuern zu können. Wenn „rechts“ gedacht wurde (hoch konzentriert und mit viel Übung natürlich), fuhr das Auto in diese Richtung. Selbst Querschnittsgelähmte konnten wieder einigermaßen laufen, indem ein Exoskelett per Gedanken angesteuert wurde.

Neu ist allerdings, dass der Chip sich im eigentlichen Gehirn eines Menschen befindet. Er ist von außen nicht einmal sichtbar und nur so groß wie eine Euro-Münze. Ob seine Fähigkeiten noch genauer sind, als die bisherigen Prototypen ist jedoch noch unbekannt.

4. Rechtliche Herausforderungen

Nun ist der Aufschrei unter juristischen Leihen wie bei jeder neuen Technik erst einmal groß. Selbstfahrende Autos? Dan haftet ja niemand! … Nein, so starr und verteidigungsunfähig ist das Rechtssystem zum Glück nicht. Unter Studenten gehasst sind etwa analoge Anwendungen des geltenden Rechts auf eng begrenzte Ausnahmen, die meist durch technische oder gesellschaftliche Weiterentwicklung nötig werden. Und das ist auch gut so, um das System flexibel und wehrhaft zu machen. Es ist in der Lage, sich neuen Gegebenheiten um ein Vielfaches schneller anzupassen, als es der Gesetzgeber kann. Gleichzeitig führt dies auch dazu, dass die eigentliche juristische Verfahrensweise mit neuen Problemen auch stets umstritten ist. Die herrschende Lehre gegen Mindermeinungen und alle zusammen gegen die Rechtsprechung. Und so gut das auch rechtspolitisch und wissenschaftlich ist, es führt doch zu einer gewissen Schwebelage, bis der BGH Klarheit schafft – die dann aber auch wieder geändert werden könnte.

5. Jetzige Phase

Doch an diesem Punkt ist das Thema noch gar nicht. Es gibt bisher keine Probleme und auch keine Gerichtsverfahren. Und gerade deshalb ist dies gerade die spannende Phase der Planung. Es ist die Pionierzeit und damit die Zeit der wegweisenden Ideen. Und hiervon gibt es einige, gerade im Strafrecht. In der juristischen Welt beginnt eine Idee meist mit einem Aufsatz. Danach kann der Gedanke in Kommentierungen aufgenommen werden und schließlich, wenn er sich entsprechend durchgesetzt hat, auch in Entscheidungen Einfluss finden. Diese Aufsätze gibt es bereits und vor allem wird an ihnen gerade sicherlich gearbeitet. Professoren werden an ihrem Lehrstuhl darauf aufmerksam und widmen sich dem Thema nun entweder selbst oder betreuen gerne Doktorarbeiten hierzu.

6. Konkrete juristische Beispielsfälle: Weinversteigerung

Zivilrechtlich kommt hier zunächst der Trierer Weinversteigerungsfall in den Kopf. Eine Person hebt auf einer Auktion den Arm und bekommt den Zuschlag für einen teuren Wein. Eigentlich wollte sie diesen aber gar nicht, sondern nur einem Freund winken. – Was wenn der Querschnittsgelähmte etwas trinken möchte und stattdessen ein Gebot abgibt? Im Originalfall kommt ein Kaufvertrag zustande, weil zwar das (innere) Erklärungsbewusstsein fehlt, dies aber nach HM unbeachtlich ist und lediglich eine Anfechtungsmöglichkeit bietet. Im Fall der Fehlfunktion des Chips dürfte aber wohl schon der Handlungswille an sich fehlen. Zwar wollte die Person ihren Arm bewegen, aber nicht in Form von Melden. Eine Haftung des Herstellers ist dabei grundsätzlich denkbar, es wird aber zu Beweisschwierigkeiten kommen. Gerade bei einer unsichtbaren Materie wie der Kraft der Gedanken kann wohl nie ein Nachweis erbracht werden, was wirklich gedacht wurde und was der Computer warum falsch verstand.

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7. Konkrete juristische Beispielsfälle: Mord per Fernsteuerung

Doch wie ist es, wenn A den B zum Mord an der C benutzt? Jeder Student im Erstsemester würde nun antworten können, dass ein klassischer Fall einer mittelbaren Täterschaft nach § 25 I StGB vorliegt. Hierbei geht es gerade darum, dass der Vordermann und eigentlicher Tatausführer (Tatmittler) nicht voll strafbar ist – z.B. wusste er gar nicht, dass er einem anderen Menschen mit seiner Tat schadet. Oder aber er konnte sich gegen die Überlegenheit des Hintermannes (mittelbarer Täter) nicht wehren, wie in den berühmten Mauerschützen-Fällen.

Wenn nun also A den querschnittsgelähmten Q per Chip fernsteuert und so die C umbringt, ändert sich hieran etwas? Abgesehen davon, dass es für den Q, der bei vollem Bewusstseinseiner Tat nichts dagegen unternehmen kann, eine reine Qual sein wird, dürfte er weiterhin nicht strafbar sein. Sonst würde es dazu führen, dass trotz keiner Wehrmöglichkeit oder Chance eines Alternativverhaltens eine Strafbarkeit begründet wird und das ist nicht hinnehmbar. Sollte Q es dem A fahrlässig ermöglicht haben, kann das ganze schon wieder andres aussehen. A ist nun entweder weiter aus § 25 I StGB strafbar, oder aber man rechnet ihm Q als sein unmittelbares Werkzeug zu. Etwa bei einem Hund, den der Täter auf das Opfer hetzt, ist das der Fall. Doch wenn es sich auch dort um ein Lebewesen handelt, dürfte die rechtliche Wertung eines Menschen als reines tatsächliches Werkzeug schwierig sein.

Und genau hier wird es wohl künftig spannende Rechtsfortbildungen geben. Doch trotz unterschiedlicher dogmatischer Natur dürfte sich am Ergebnis wenig ändern. In komplizierteren Fällen wird es aber interessant und der Startschuss ist nun gefallen.

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